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Trembling before G-d

Interview mit dem
Regisseur Sandi Dubowski

Aus alibi.com, das Interview führte Devin D. O'Leary

Es ist schwer zu sagen, was Sandi Simcha Dubowski dazu gebracht hat, seinen ersten Kinofilm zu drehen. Es war jedenfalls kein zufälliger Versuch einen Film zu drehen. Trembling Before G-d ist eine gefühlvolle, tiefgründige Studie des Versteckspiels von schwulen und lesbischen orthodoxen Juden und Chassiden.

Obwohl das Thema des Films ein nicht all zu großes Publikum anzusprechen scheint, zeichnet er sich dadurch aus, dass es Dubowski darin gelingt, durch eine Reihe von persönlichen Geschichten das Leitmotiv von Religion und Sexualität zu überschreiten und ihn zu einem rein menschlichen Drama werden zu lassen. Es ist etwas Bewundernswertes an Leuten, die an ihrer Religiosität festhalten. Genauso ist es Tränenrührendes an einer Religion, die einen bestimmten Prozentsatz ihrer Anhänger verdammt.

Trembling Before G-d debütierte letztes Jahr mit großem Erfolg auf dem Sundance Film Festival und wurde nominiert für den Grand Jury Preis. Ferner erhielt er zahlreiche Auszeichnungen auf Filmfestspielen auf der ganzen Welt.

Natürlich mussten sich auch die Verleumder des Films den Themen, die er bespricht, stellen. Agudath Israel of America, die größte ultra-orthodoxe Organisation in den USA, kritisierte den Film, weil er Homosexualität nicht als psychische Krankheit darstellt, die es zu heilen gilt. Trotzdem hinterließ der Film einen überwiegend positiven Eindruck beim Publikum und bei religiösen Institutionen.

Alibi sprach mit Dubowski bevor er sich zur New Mexikoer Premiere seines Films aufmachte.

Erzählen Sie uns etwas über Ihre Herkunft. Was bewegte Sie dazu, diese Geschichte zu erzählen?

 

Nun, es gibt keinen vernünftigen Grund. Das war mein Film-Akademie – und mein Jeshiva-Abschluss in einem. Ich habe nie eine Film-Akademie besucht. Ich habe einmal einen Kurzfilm namens Boychik (~Jingele) mit meiner 80-jährigen Großmutter gedreht. Das Filmedrehen wurde mir irgendwie mit in die Wiege gelegt. Außerdem wurde ich nicht orthodox erzogen. So ist es mir ziemlich unergründlich warum eigentlich diesen Film? Ich begann mit einem Video-Tagebuch zum Thema, was es bedeutet orthodox und schwul zu sein und ob es überhaupt ein Thema in der orthodoxen Welt sein kann. Ich traf Mark aus London (einer der Charaktere im Film) auf einer internationalen Konferenz lesbischer und schwuler Jüdinnen und Juden. Wir fingen an, alle Jeshivas zu besuchen, die ihn für seine Homosexualität rausgeschmissen haben. Wir kamen zurück nach Israel. Wir besuchten alle Synagogen, in denen er sich als Kind aufgehalten hatte. Wir pilgerten auf einen Berggipfel in Israel. Ich nehme an, all das brachte mich auf den Weg. Wir wurden zu Brüdern, zu Kommilitonen in einer Jeshiva ohne Grenzen. Die Welt wurde zu meiner Jeshiva. Es kostete uns einige Jahre an Dreharbeiten. Um genau zu sein, fünf Jahre. Und dann nahmen immer mehr neue Leute am Projekt teil.

Wie trafen Sie die anderen Charaktere?

Ich war auf einer andauernden Suche, fünf Jahre lang und versuchte passende Schicksale zu finden. Besonders war ich natürlich auf der Suche nach Leuten die immer noch einen orthodoxen Lebensstil lebten und homosexuell waren.

Trafen Sie viele Menschen, die nicht vor die Kamera treten wollten?

Ja, die Mehrheit der Teilnehmer wollte das nicht. Scheinbar sind diese Menschen dazu verdammt, ein äußerst schizophrenes Dasein zu führen und sind gespalten zwischen ihrer Religiosität und ihrer Sexualität.
Die meisten Menschen, die ich getroffen habe, verließen entweder ihre orthodoxen Gemeinden und begannen ein säkulares Leben oder sie heirateten und belogen ihre Partner. So ist die Zahl derer, die ihre Sexualität und ihre Spiritualität miteinander zu vereinbaren versuchen äußerst gering, aber am ansteigen - erstaunlicherweise. Was heißt es, mit religiösem Fundamentalismus zu ringen? Diese Art Drama bekommen Sie in meinem Film zu sehen. Ich könnte so viel mehr Schicksale erzählen, die dieselbe tragische Ebene, dasselbe Elend und Leid erreichen. Erst recht, nachdem ich mit dem Film auf der ganzen Welt getourt habe.
Ich bin der Meinung, dass Spiritualität in diesem Fall nicht der Stein des Anstoßes ist, sondern eher die wachsende Besorgnis über die wachsende Orthodoxie und den religiösen Fundamentalismus der Weltreligionen.
Ich denke es wird nicht so fundamentalistisch gehandhabt wie meiner Meinung nach im Christentum. Ich glaube nicht daran, dass das orthodoxe Judentum unter Fundamentalismus leidet. In unserem Bestreben, die Welt des Heiligen zu verstehen, haben wir eine ganze Hunderte Jahre alte Tradition der Argumentation über den Talmud. Momentan ist die Ächtung von Homosexualität in der Orthodoxie festgesetzt und sicher gibt es viele Lehrer, die einen enormen Starrsinn an den Tag legen. Aber unsere Tradition basiert auf Debatte und Einigung. Das heißt wir können den Talmud als Werkzeug nutzen, um neue Ansichten darzulegen.

Denken Sie also, dass irgendwann die Zeit kommen wird, wenn das orthodoxe Judentum Homosexualität akzeptieren wird?

Nun, bis jetzt haben 14 oder 15 orthodoxe Gemeinden dazu eingeladen, den Film in ihren Synagogen auszustrahlen. Das heißt schon innerhalb der ersten eineinhalb Jahre nach der Erstausstrahlung gibt es eine viel größere Bereitschaft bei den Gemeinden sich mit dem Thema vernünftig auseinander zu setzen, es nicht wie früher als etwas Schandhaftes totzuschweigen. Ich kenne da diesen Jungen in Ungarn, der sich vor dem Krieg seinem chassidischen Rabbiner anvertraute, und dieser Rabbiner wandte sich von ihm ab und sprach nicht mehr mit ihm. Das ist heute nicht mehr so. Heute gibt es Eltern, Familien und Freunde, die verlangen, dass sich die Gemeinden mit dem Thema auseinandersetzen, weil sie homosxuelle Angehörige haben. Es gibt zwei Möglichkeiten wie sich das alles weiterentwickelt: Entweder es gibt einen Rück- oder es gibt einen Fortschritt. Das ist wie bei jedem gesellschaftlichen Umdenken. Leute werden aufstehen und fordern, dass ihren Kindern nicht als einzige Möglichkeit übrig bleibt entweder ein säkulares Leben zu leben oder zu lügen.  Ich denke Gemeindemitglieder haben durchaus die Absicht ihren Kindern einen Platz in ihrer Gemeinschaft zu schaffen. Halacha ist ein äußerst langsamer Prozess, aber ich hoffe, Dinge ändern zu können durch Aufzeigen dieser Zeugnisse von Menschlichkeit. Wie bei jedem Gerichtsverfahren sitzt jemand vor einem Richter und erzählt seine Geschichte, und der Richter fällt ein Urteil. Ich hoffe, dass das öffentliche Aufsehen und diese Geschichten einige Halachische Autoritäten dazu bewegen werden, diejenigen die jeden Tag mit solch schweren Lasten zu kämpfen haben, wohlwollend zu erhören.

Denken Sie, dass dieser Positionswandel etwas mit dem gesellschaftlichen Positionswandel zu tun hat?

Zweifellos reagiert die orthodoxe Gemeinde nur sehr schwer auf intensivere gesellschaftliche Entwicklungen. Aber auf der anderen Seite hat sich die Stellung der Frau auch verändert. Heute gibt es Frauen, die die Tora und sogar den Talmud studieren. Das heißt es gibt enorme Fortschritte für die Rechte der Frauen.

Trotz der Schwermütigkeit des Themas findet der Film immer wieder Gelegenheiten, seiner Botschaft auch mit Humor zu begegnen. Ist das eine typisch jüdische Einstellung?

Meiner Meinung nach wird im Judentum ganz klar eine Kultur der Selbst-Persiflage gepflegt. Es ist ein bisschen ein Humor des Selbstmitleids. Ich versuche herauszufinden, woher der Humor im Film herkommt. ... Wenn man am Leben von anderen Menschen beteiligt ist, wird man von einer großen Palette der Gefühle heimgesucht. Man arbeitet nicht mit wandelnden Manisch-Depressiven. Es sind alles Menschen, die in jedem Moment ihres Lebens einen reichen Humor pflegen. Ich denke, wenn jemand nicht mehr fähig ist zu lachen, dann steckt er in ernsthaften Schwierigkeiten.  ...  Glauben Sie mir, ich habe beim Drehen des Films eine menge Tränen vergossen, aber Humor ist der Schlüssel zu jeder jüdischen Sichtweise.

Wie lange sind Sie mit dem Film getourt?

Ich startete mit dem Sundance Festival vor eineinhalb Jahren. Und ich war wirklich eineinhalb Jahre unterwegs! Wir debütierten in Städten in ganz Amerika und auf der ganzen Welt. Es ist wirklich faszinierend. Die letzten eineinhalb Jahre waren wir in Australien, Polen, England, Mexiko, der Tschechischen Republik. Wir gingen nach Brasilien, Argentinien, Nepal. Der Film war in Berlin. Jedes Mal rief er andere Reaktionen hervor.

War es für Sie wichtig, mit dem Film zu touren und mit dem Publikum zu sprechen?

Es war für mich entscheidend! Dies ist ein kontroverser Film und jedem kommen Fragen auf. Während der Fragestunde stand kaum jemand auf und ging, alle hörten gebannt zu, alle wollten über das reden, was sie gesehen hatten. So viele Fragen blieben unbeantwortet, weil man keine einfachen Antworten geben kann. Der Film wirft viele komplizierte Fragen auf, über Familie, über Zuversicht, über Sexualität, über die Gemeinde, über G-tt. Und egal ob du Jude, Moslem oder Christ, homosexuell oder heterosexuell bist; der Film bewegte die Gemüter. Auf dem Sundance Festival kam ein Typ auf mich zu und sagte: „Ich bin aus Pakistan und ich bin Moslem und ich bin heterosexuell. Laß dich umarmen.”

Zittern im Angesicht des Herrn:
Trembling before G-d

TV-Erstausstrahlung des mehrfach ausgezeichneten israel.-amerik. Films von Sandi Simcha DuBowski bei arte, 06-08-02 Uhr...

Hierzu noch ein Hinweis aus dem Forum von hagalil.com http://www.hagalil.com/forum -- ...message

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